Ein Traum wurde wahr!
Wie oft hatte ich Bilder vor mir, die einen ganz eigenen Stil hatten. Sie waren nicht in Farbe, sondern immer in schwarz-weiß und hatten einen sehr komischen, aber interessanten Unschärfeverlauf und Ränder, die ausgefranzt/verschwommen wirkten. Dadurch erschienen sie meist etwas düster und bekamen eine leichte Melancholie. Ich konnte stundenlang in solche Bilder versinken. Da war es egal ob Landschaften zu sehen waren oder Menschen im Portrait oder als Akt. Obwohl ich sagen muss, Portraits fand ich immer interessanter. Und so kam es, das in mir ein Wunsch entstand: Irgendwann wollte ich einmal ein Bild in solcher Art von mir selbst in den Händen halten. Und so kam es dann…
Madame Nacktigall, die ich auch schon ins Bild nahm, und ich trafen uns bei einem mittlerweile guten Freund – dem Marci. Wir schnackten viel, tranken ein Glas Wein und sahen bei der Vorbereitung zu. Wir unterstützen Marci bei einigen Dingen, zum Beispiel beim Überlegen der Posen und der Gestaltung des Lichtes. Und manchmal schnackten wir auch einfach nur (manchmal auch dumm ;-) )
Letztendlich sind für 5 Bilder knapp 8 Stunden vergangen. Der Aufwand hierfür ist enorm und überhaupt nicht vergleichbar mit der digitalen Fotografie. Ich spreche nicht nur von der Zeit, sondern
auch von den Finanzen. Ich habe schon oft mit Marci über das Thema gesprochen… Viele verstehen gar nicht den Umfang dieser Kunst des Fotomachens. Ja – Kunst! Denn wie so oft wird diese Art der Kunst und letztendlich auch das Handwerk sicher von vielen unterschätzt. Ich selbst mache ja neben der digitalen Fotografie
auch analoge Bilder im Mittel-und Großformat und auch da ist der Aufwand bereits ein anderer.
Aber die Nassplatte… Also liebe Menschen da draußen, die vielleicht diesen kleinen Beitrag lesen, falls Ihr Interesse an so einem künstlerisch anspruchsvollen, besonderen Bild habt, dann meldet euch gern bei Marci. Er steckt viel Herzblut in seine Fotografie!
Bringt Zeit mit und geht bitte nicht davon aus, dass ihr so ein Bild für „einen Apfel und Ei“ bekommt. Ein Passfoto ist definitiv günstiger, aber eben auch nicht so individuell ;o)
Mit den folgenden Zeilen lass ich den Meister persönlich zu Wort kommen, da er die Geschichte der Nassplatte besser auf den Punkt bringt, als ich das machen würde...;-)
AMBROTYPIE
...abgeleitet aus dem lateinischen
Ambrotos-unsterblich und dem altgriechischen Wort týpos-Druck, wird im nassen Kollodiumverfahren hergestellt. Entwickelt wurde dieses Direktpositiv-Verfahren in den Jahren 1850 und 1851 von
Frederick Scott Archer und Gustave Le Grey.
Wie es nun so ist, gibt es auch in der Fotografie enorme Entwicklungssprünge und dieses interessante Verfahren geriet mehr oder minder in Vergessenheit. Schon allein durch den enormen Aufwand, der damit in Verbindung steht, gibt es heute nur noch wenige Fotografen die dieses Handwerk betreiben. Einer davon bin ich. Ich habe die digitale Fotografie aufgegeben, da sie mir zu perfekt und zu „sauber“ ist. Ein digitales Foto zeigt heute nicht mehr wirklich wie es ist, sondern vermehrt, wie es sein könnte. Ich denke da nur an Composings und extreme Retusche. Es ist eine Datei, die wie tausende andere Fotografien auf einer Festplatte vor sich hin existieren kann, ohne dass man das Bild haptisch begreift. Man kann sie vervielfältigen und immer wieder aufs Neue ausdrucken. Das digitale Bild befriedigt mich nicht. Ich möchte ein Unikat schaffen, was man mit Nassplatte auf jeden Fall erreicht. Ich möchte das Bild anfassen, den Prozess riechen aber allerdings nicht schmecken, denn das könnte böse enden. ;) Ich möchte viel Arbeit und viel Zeit investieren um danach mit Stolz sagen zu können: „Ja... das Bild habe ich geschaffen.“ Das ist meine eigene, persönliche Meinung dazu, die andere vielleicht nicht nachvollziehen können und auch nicht unbedingt nachvollziehen müssen.
Wie entsteht nun so ein „Glas
Bild“?
Fotografiert wird dabei mit einer Großformat Balgenkamera direkt auf eine, in meinem Falle 20x24cm oder 13x18cm große Glasplatte.
Diese wird in der Dunkelkammer mit einer chemischen Lösung aus Kollodium, Brom- und Jodsalzen, Ethanol und Ether versehen, die sich wie eine Gelatineschicht dünn auf die Glasplatte legt. Diese beschichtete Platte wird in einer Silbernitratlösung schließlich lichtempfindlich gemacht, in einer Kassette lichtdicht verschlossen und in die Kamera eingebracht. Schließlich belichtet man diese präparierte Glasplatte in der Kamera die mehr einem Holzkasten mit Objektiv gleicht als einem modernen Fotoapparat. Dabei kommt es je nach Lichtverhältnissen zu Belichtungszeiten von mehreren Sekunden, da die Platte nur sehr schwach lichtempfindlich ist. Stillhalten ist dabei nun angesagt, was schwieriger ist als man denkt. Es fühlt sich eher an wie eine kleine Ewigkeit.
Ca. 10 Minuten hat man Zeit, von der Plattenbeschichtung über das Belichten bis zur nachfolgenden Entwicklung. Ist die Platte einmal trocken, verliert sie ihre Lichtempfindlichkeit komplett. Dabei spielen äußere Umwelteinflüsse wie Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit eine entscheidende Rolle, da diese direkten Einfluss auf die Chemikalien nehmen. So entstehen kleine Fehler im Bild, die allerdings zum Prozess gehören und meiner Meinung nach die Fotografie lebendig wirken lässt und ihr einen gewissen Charme gibt.
Nach dem eigentlichen fotografieren wird die Glasplatte nun in der Dunkelkammer mit weiteren Chemikalien entwickelt und fixiert. Belichtete Bestandteile des chemischen Cocktails werden in metallisches Silber gewandelt und setzen sich als silbrig-graue Schicht auf der Glasplatte ab. Unbelichtete Teile des Bildes wie schwarze Bereiche und Schatten werden von der Platte gewaschen. Es entsteht ein Bild, das einem recht flauen unterbelichteten Filmnegativ gleicht. Helle Töne erscheinen in einem silbergrauen bis sepiagetonten Bild. Dunkle Töne werden auf der Glasplatte mehr oder minder transparent.
Das Fotomodell kann bei Interesse an diesem Prozess in der
Dunkelkammer teilhaben und beobachten, wie das Bild langsam in der Fotoschale wie von Geisterhand erscheint. Eine starke Nase ist dabei von Vorteil, denn es duftet nach Alkohol, Ether und
Essig.
Die getrocknete Glasplatte wird mit einem Firnis überzogen um die empfindliche Schicht vor Korrosion und mechanischen Einwirkungen zu schützen. Nun wird die Platte geschwärzt, damit die vorher transparenten Schattenpartien im Bild sichtbar werden. Dieses nennt man Dunkelfeldprinzip. Ich verwende bei meinen Bildern, einen mit Schwarzen Baumwollsamt beklebten Hintergrund. Man kann auch Asphalt verwenden, dieser kann allerdings mehr oder weniger von der Platte abplatzen und wurde damals als billige Alternative zum teuren Samthintergrund verwendet.
Dieser aufwendige Prozess verwandelt eine einfache Fensterglasplatte in eine „neue alte“ Fotografie im leicht melancholischen Stil, nach altem viktorianischen Lichtbildner-Handwerk. Ein echtes Unikat.
Eines Tages nun traf ich Peter, einen befreundeten Bildermacher. Er zeigte großes Interesse an meiner Arbeit. Kurzerhand entschlossen wir uns zu einer „Nassplatten-Session“ und fragten die Tine, ob sie uns denn an diesem Tag Modell steht. Interessiert willigte sie ein und somit hatten wir mit ihr ein Vintage-Modell, das in meinen Augen sehr gut zu dieser Art des Bildermachens passt. In entspannter Athmosphäre, dem ein oder anderem Glas Rotwein (ich nicht, ich musste mich auf den Prozess konzentrieren:), einem netten Plausch, entstanden diese hier gezeigten Ambrotypien und die von Peter fotografierten Reportage Bilder, die Euch diese schöne, aufwendige und langsame Art der Fotografie etwas näher bringen sollen.
Bist auch du interessiert, dann suche bei Google, Instagram und Facebook nach „Capta in Charta“ und sprich mich an. Dort gibt es auch weitere Arbeiten von mir zu sehen und vielleicht sehen wir uns irgendwann vor meiner Linse.
Einen super dicken Dank an Dich Marci, dass dieser Traum wahr wurde und natürlich auch einen dicken Umärmler an die Tine – alias Madame Nacktigall.